Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, wie unvorhersehbar die Zukunft ist und wie ein Ereignis von heute auf morgen alles umkrempeln und verändern kann. Die Kultur- und Kreativbranche (KuK) hat das wie keine andere erfahren müssen. Trotzdem konnten wir in 2021 einige Trends beobachten, die für die KuK aktuell eine große Rolle spielen und die mit großer Sicherheit auch im nächsten Jahr bestehen bleiben und wahrscheinlich eine noch größere Rolle spielen werden. Anhand dessen wagen wir eine kleine Prognose.
Drei Themen sind uns dabei besonders aufgefallen: Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb, Künstliche Intelligenz als technische Akteurin für Kreativschaffende und Kulturunternehmen sowie Social Storytelling als Strategie für die Content Creation. In unserem Magazine haben uns diese Themen immer wieder beschäftigt. Hier wurden in 2021 Grundsteine gelegt, die unserer Meinung nach das nächste Jahr prägen werden. Und dann wagen wir auch noch einen kurzen Ausblick auf die Ästhetik in Mode, Design und Musik.
Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb
Nachhaltigkeit ist kein neuer Trend. Doch das Thema hat im letzten Jahr nicht nur gesamtgesellschaftlich an Bedeutung gewonnen und den Bundeswahlkampf entscheidend geprägt, sondern auch für den Kulturbetrieb und dessen Praxen. Diese mussten lange Zeit um ihre generelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Anerkennung kämpfen und flogen in Sachen Klimaschutz daher eher unter dem Radar. Das hat sich in 2021 verändert. Der Kulturbetrieb ist sich seiner klimaschädlichen Praxen zunehmend bewusst geworden und nimmt sich verstärkt in die Pflicht.
Diese Tendenz wird sich sicherlich ins nächste Jahr verlängern. Es gibt viele Beispiele für Kulturbetriebe und -institutionen, die sich im Rahmen einer Selbstverpflichtung für mehr Nachhaltigkeit bei der eigenen Arbeit einsetzen möchten. Beispiele sind die Gallery Climate Coalition, das Positionspapier der Orchestervereinigung oder der “Green Shooting”-Arbeitskreis der deutschen Film, TV und VoD-Branche, die ab 2022 das „Green Motion“-Label einführt.
Das sind nur einige wenige Beispiele. Solche Selbstverpflichtungen sind in allen Teilbereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft zu beobachten und werden in 2022 den Kulturbetrieb ganz bestimmt noch stärker bestimmen und neue Standards bei den Geschäftsmodellen setzen. Denn das Thema spielt zunehmend auch für vielen Neugründungen eine Rolle, die klimaverträgliche Produkte und Lebensmittel auf den Markt bringen. Und egal ob es sich um Verpackungen, Kaffeebecher oder essbares Besteck handelt, ohne Kreativität geht es hier nicht. Denn Nachhaltigkeit beginnt beim Produktdesign und damit in der Kreativbranche.
Für die Modebranche wird das Thema Kreislaufwirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen. Viele Unternehmen beginnen hier bereits mit einer Umstellung ihrer Produktion. Die im März stattfindende Berlin Fashion-Week hat das Thema ebenfalls prominent platziert, was genau diesen Trend bestätigt und weiter beschleunigen wird. Wir finden das gut!
Kreativschaffende und Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz spielt schon seit einiger Zeit eine Rolle für die Arbeit von Kreativschaffenden. Und das in zweierlei Hinsicht: Zum einen übernehmen KI-Anwendungen und -Techniken selbst “kreative” Prozesse und generieren aus Daten Kunst, Designs und Musik. Zum anderen stellen sie ein praktisches Tool für den wirtschaftlichen Erfolg dar.
Im ersten Fall geht es weniger um die Frage, ob Maschinen uns die Kreativität aus der Hand nehmen, als vielmehr um die Aneignung neuer Techniken von Kreativschaffenden. Schließlich ist Kreativität schon immer mit dem Einsatz von Technik verbunden, wie dem Pinsel in der Malerei, den Instrumenten in der Musik oder der Schreibtechnik in der Dichtung. Künstliche Intelligenz ist hier erstmal nur eine neue Technik, auch wenn deren Möglichkeiten erstaunlich erscheinen mögen. Genau diesen Aspekt stellt beispielsweise der Band “The Age of Data”, herausgegeben von Christoph Grünberger, dar. In dem Buch werden die Arbeiten von 40 Künstler*innen gezeigt, die Künstliche Intelligenz für ihre Werke nutzen und gewissermaßen in der Ästhetik ihrer Arbeiten die Verbindung von Daten und Kunst veranschaulichen.
Dahinter steht jedoch immer eine menschliche Entscheidung, wie die Technik zum Einsatz kommt, welche Daten ihr zur Verfügung stehen sollen und was sie mit diesen anstellen soll. Experimente mit Künstlicher Intelligenz im Bereich des Darstellenden Spiels wurden beispielsweise auch auf dem Tools-Theaterfestival durchgeführt, wo eine KI den Schauspieler*innen auf der Bühne Handlungsanweisungen gab.
Mit dem zweiten Aspekt der Wirtschaftlichkeit beschäftigt sich unter anderem Eugen Gross, mit dem wir kürzlich ein Interview geführt hatten. In seiner Vision können Kreativschaffende sich von Daten beraten lassen, um den eigenen Content zielgruppenspezifischer und erfolgreicher performen zu lassen. Der Gründer der Firma aiconix sieht in Künstlicher Intelligenz das Schweizer Taschenmesser, das wir womöglich bald alle in der Tasche haben. Ein Beispiels ganz in diesem Sinne ist das Unternehmen iGroove, das Künstliche Intelligenz einsetzt, um den Erfolg von Musik prognostizieren zu können, auf dessen Basis Vorschüsse an die Künstler*innen auszuzahlen.
Es ist davon auszugehen, dass Künstliche Intelligenz in beiden Bereichen weiter und verstärkt zum Einsatz kommt und es weitere kreative Experimente sowie auch neue Unternehmensgründungen geben wird.
Social Storytelling für die Content Creation
Für Content Creator*innen sind Social Media-Plattformen ein großer Teil des eigenen Arbeitsbereiches. Auch hier gibt es Trends hinsichtlich der Nutzung, die wichtig für die Reichweite von Kreativschaffenden sein kann. Eine Entwicklung ist sicherlich der Erfolg von Video-Content. Nicht nur die Algorithmen mögen diesen gerne, sondern auch die Nutzer*innen, die statistisch länger auf den Profilen verweilen und eine engere Bindung dazu aufbauen, als wenn dieser nicht vorhanden ist. Da Social-Media aber eher die kurzfristige Aufmerksamkeit ansprechen soll, sind hier vor allem kurze Videos von Erfolg gekrönt.
Die Nutzung von Social Media diente in der Vergangenheit vor allem der Vergrößerung der Reputation und Reichweite. Geld ließ sich nur indirekt verdienen. Die Pandemie und der damit einhergehende Boom des Online-Handels hat aber den Trend des Social-Selling verstärkt. Kund*innen werden direkt über Social Media angesprochen und tätigen von dort aus ihre Einkäufe. In diesem Sektor wurde in den letzten zwei Jahren ein enormes Umsatzplus verzeichnet; Tendenz weiter steigend.
Sowohl der Video-Content als auch die Zunahme des Social-Selling lassen sich auf eine Strategie zurückführen, die uns Sascha Gottschalk von FMD beim Content Creator Festival 2021 als Social Storytelling vorgestellt hat. Dabei steht nicht das Produkt, sondern – aufgepasst – die Story um das Produkt und die Menschen dahinter im Rampenlicht. Gerade für Kreativschaffende und Content Creator*innen ist das enorm wichtig und erfolgversprechend. Mit stetigem Content kann die Zielgruppe an dem kreativen Schaffensprozess im Sinne eines “Behind the Scenes” teilhaben. Nur eben nicht erst im Nachgang, sondern schon währenddessen. So entsteht eine persönliche Beziehung zum Produkt und den Menschen dahinter, was den Wert schon im Vorfeld steigern kann.
Der aber wahrscheinlichste ungebrochen größte und wichtigste Trend auf Social Media und für die Content Creation an sich ist Authentizität. Wer sich in den Kurzvideos verstellt oder sich durch Werbung für Produkte eine goldene Nase zu verdienen versucht, die eigentlich Ramsch sind, wird keinen Erfolg haben. Das gilt beim Kochen genauso wie beim Twitch-Streaming.
Kommen jetzt die 2000er?
Und was wird uns ästhetisch in den nächsten 12 Monaten begegnen? Solche Prognosen sind natürlich sehr gewagt. Wir wollen uns diesen Spaß aber nicht nehmen lassen. Aktuell sind noch immer Referenzen an die 1990er Jahre sehr präsent. Krachige Designs, Rave-Nostalgie und Plateauschuhe, könnten das letzte Jahr ganz gut repräsentieren. Doch beispielsweise im Design lässt sich vermehrt auch wieder Low Poly Art finden, die vor allem an den Tech-Optimism der 2000er Jahre erinnert. Und auch in der Mode ließen sich Wasserfall Tops, Jeans mit tiefem Bund und auch mal wieder Schlaghosen finden, die bereits in den 2000ern ein Revival hatten. Wäre also denkbar, dass uns der 90er-Trend weniger lang begleitet als das langatmige 80er Revival und wir nun auf die 2000er zusteuern. Oder am Ende wird alles einfach ein wilder Mix aus allem, wie es das Hyperpop-Phänomen in der Musik vorgemacht hat.
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