Work-Life-Balance – Modeerscheinung oder erfolgsführend?

Mehr denn je steht die Gesundheit von Arbeitnehmern*innen im Fokus. Kein Wunder, denn von 2013 bis 2019 sind die Arbeitsunfähigkeitstage im Bezug auf psychische Krankheiten von 14,6 Prozent auf 17,1 Prozent angestiegen. Damit sind psychische Erkrankungen, wie zum Beispiel Burn-Out, der zweithäufigste Krankheitsgrund in Deutschland. Viele Unternehmen haben das erkannt und unterstützen aktiv Präventionsmaßnahmen wie Work-Life-Balance. Was Work-Life-Balance beinhaltet, wer davon profitiert und wie es das eigene Wohlbefinden steigert, haben wir zusammengefasst.

Work-Life-Balance – Modeerscheinung oder erfolgsführend?

Für das Bestreben, einen Gleichgewichtszustand zwischen unseren alltäglichen Aktivitäten, Aufgaben und Verpflichtungen zu erreichen und aufrechtzuerhalten, wird oft der Ausdruck Work-Life-Balance verwendet. Dabei sollen sich die verschiedenen Lebensbereiche gegenseitig möglichst nicht behindern und sich idealerweise gegenseitig unterstützen. Im Endeffekt geht es darum die eigene Gesundheit zu erhalten und Lösungen anzuwenden, um die Anforderungen, die Berufstätigkeit, Familie, soziale Aktivitäten, Freizeit und viele andere an uns stellen, bestmöglich erfüllen zu können. Nicht jeder unserer Lebensbereiche ist von Priorität. Das heißt, die Verteilung der eingesetzten Zeit auf die Lebensbereiche sollte uns zufrieden stellen. Anders als bei dem Begriff der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der weitgehend für denselben Themenbereich Verwendung findet, liegt beim Ausdruck der Work-Life-Balance die Betonung auf der individuellen Entscheidung und Selbstorganisation. Es ist zugleich aber auch ein Abgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen. 

Prioritäten setzen

Letzteres ist in unserer Arbeitswelt ein wichtiger Faktor, wenn es um Work-Life-Balance geht. Ein Arbeitstag dauert im Durchschnitt acht Stunden (Work). Für den Rest, also das Leben (Life), bleibt nicht mehr viel bzw. nicht genauso viel Zeit übrig. Hinzu kommt, dass auch im Feierabend noch oft E-Mails abgerufen und Termine für den nächsten Tag gecheckt werden. Work-Life-Balance bedeutet also nicht dieselbe Zeit für die Lebensbereiche aufzuwenden. Es ist ein dynamisches Gleichgewicht, weil sich die persönlichen Lebensumstände und äußeren Bedingungen stets wandeln können. Die Bedeutung der Arbeit soll in eine geeignete Perspektive zum Leben als Ganzes rücken und nicht das Leben bestimmen.

Die Work-Life-Balance wird auch als eine Aufgabe der Bereitstellung von Ressourcen gesehen. Am häufigsten werden Entscheidungsspielräume, Geld und Zeit gezählt. Persönliche Eigenschaften im Sinne physischer, emotionaler, psychologischer und sozialer Ressourcen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle beim Erreichen der eigenen Work-Life-Balance. Die individuellen Einstellungen und Zielsetzungen sowie gesellschaftliche und betriebliche Bedingungen gilt es ebenfalls zu beachten. Je nach Lebensalter und Lebenssituation setzt die Einzelperson andere Schwerpunkte, was auch in Abhängigkeit von der individuellen Antwort auf den Sinn des Lebens und der eigenen Auffassung von Glück steht. Für den einen steht der Ausgleich zum Beruf durch Freizeitaktivitäten und Sport im Vordergrund. Die andere Person möchte neben dem Beruf Zeit mit den eigenen Kindern verbringen. Einheitliche Methoden zur Messung der individuellen Work-Life-Balance gibt es deshalb keine, weil der Grad der Zufriedenheit folglich von Faktoren wie Arbeitsorganisation, Art der beruflichen Tätigkeit und Branche, Alter und Geschlecht abhängt.

Veränderung in Der Arbeitswelt

Wird die Berufstätigkeit der letzten Jahren betrachtet fällt auf, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Erhaltung der Gesundheit, der Leistungsfähigkeit und der Motivation mehr ins Auge gefasst haben. Der Arbeitgeber konzentriert sich auf Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Das heißt Arbeitsschutz, gesundheitliche Prophylaxe, verringertes Stressaufkommen und die Vermeidung von Burnouts sind Teil seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern*innen. Aber auch ein gefördertes Sportangebot, Angebote zur ausgewogenen Ernährung (z.B. in betriebseigenen Kantinen) dienen der Vorbeugung von Bewegungsmangel und sind Teil der betrieblichen Gesundheitsvorsorge. Gerade im höheren Management und in Dienstleistungsbranchen ist die Balance von individuellen Faktoren wie dem Zeit- und Selbstmanagement, der Stressverarbeitung, der Bereitschaft zum Delegieren und eventuell auch Medikament- oder Drogenmissbrauch abhängig. Die Unternehmenskultur und die Unterstützung durch Lebenspartner*innen müssen bei den genannten Faktoren berücksichtigt werden. Als gängiges Beispiel wird oft die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit herangezogen. Viele kennen das Problem: dringende Aufgaben im Job, die Kinder wollen aus KiTa und Schule abgeholt werden. Stress bricht aus. Prioritäten setzen und eine klare Kommunikation können hier Entspannung schaffen, denn nur die wenigsten Dinge sind so wichtig, dass sie nicht auch eine Zeit lang warten können. Um die beiden Welten für Arbeitnehmer besser miteinander vereinbaren zu können, setzen immer mehr Arbeitgeber auf flexible Arbeitszeitmodelle, Home Office-Lösungen und Hilfestellung wie Zeitmanagement-Seminare beispielsweise. 

Fälschlicherweise entsteht schnell der Eindruck, dass die private Erfüllung den Beruf, der als eine Art Feindbild gesehen wird, ausgleichen muss. Dabei ist jeder für sich selbst und sein Glück verantwortlich, wenn es darum geht mit Defiziten im eigenen Leben umzugehen, zu wissen was Freude bereitet und was nicht. Hier ist nicht nur der Arbeitnehmer*in zu betrachten. Unternehmen profitieren von motivierten, kreativen und ausgeglichenen Mitarbeitern*in. Vor allem wenn sich das Ausfallrisiko der Mitarbeiter minimiert, dass andernfalls eine Folge von Überforderung ist. Strategien für eine gute Work-Life-Balance können einzeln oder auch in Workshops und Seminaren individuell erarbeitet werden.

4 Schritte ins Gleichgewicht

1. Selbstanalyse

Jeder kennt sich selbst am besten und weiß, was glücklich macht und was man lieber vermeidet. Ein erster Schritt ist also zu analysieren wie belastbar man selbst ist und sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden. Eine höhere Leistungsfähigkeit geht immer mit dem Annehmen der persönlichen Werte, Ziele und Bedürfnisse einher. 

2. Zeitmanagement

Um Überstunden zu vermeiden und sogenannte “Zeitfresser” zu umgehen, ist es wichtig sich selbst ein Limit für anstehende Aufgaben zu setzen. Dabei ist ein angemessener Druck, um Aufgaben zu erledigen, im eigentlichen Sinne förderlich. Wenn beispielsweise eine Aufgabe mit drei Stunden Zeit eingeplant wird, die aber auch in einer Stunde zu schaffen gewesen wäre, wird man dennoch drei Stunden dafür brauchen. Früher erledigte Aufgaben bedeuten nicht, dass die nächste Aufgabe gleich folgen muss. Vielmehr ist hier Zeit entstanden, die für sich selbst gewonnen wurden und die die persönliche Work-Life-Balance verbessert. Bei der Gliederung der zu erledigenden Aufgaben sollten zuerst die angefangen werden, vor denen man sich sträubt. Anders läuft man Gefahr, dass zum Schluss der Zeitdruck zu groß wird und Nervosität sich steigert. Dann sinkt die Konzentration und die Leistungsbereitschaft. Auch Ablenkung, ob beruflich oder privat, gilt es auszuschalten. Eine gute Übung zur Selbstreflektierung ist es verschwendete Zeit zusammen zu zählen: Wie oft schaue ich innerhalb von 30 Minuten auf mein Smartphone? Nur kurz eine WhatsApp beantworten oder den Aktienkurs checken sind genau die Störfaktoren, die am Ende hochgerechnet viel Zeit für die zu erledigende Aufgabe rauben. 

3. Termine gleichsetzen

In der Regel lassen sich private Termine immer leichter verschieben als berufliche. Um eine gesunde Work-Life-Balance zu erhalten sollten die privaten Pläne ebenso ernst genommen werden wie Arbeitstermine. Anders besteht die Gefahr, dass das Leben nur noch aus Arbeit und Ausruhen besteht. Soziale Kontakte sind wichtig um Vereinsamung und Depressionen vorzubeugen. Deshalb ist es wichtig private Termine nicht zu vernachlässigen, damit die eigene Lebensqualität nicht eingeschränkt wird.

4. Bewegung und Gesundheit

Ausreichend Bewegung und eine gesunde Ernährung sind unabdingbar, wenn man mit sich selbst im Einklang stehen möchte. Ein Spaziergang in der Pause, Sport vor oder nach der Arbeit und in der Freizeit frisch kochen, am besten zusammen mit anderen sorgen dafür, dass Job, Sozialleben und körperliche Gesundheit im Gleichgewicht sind. Das wiederum steigert das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit. 

Wenn das Verhältnis von Berufs- und Privatleben doch mal nicht ausgeglichen ist, merkt man das meist an Vergesslichkeit und Verwirrung. Das ist der Zeitpunkt, an dem sich die beiden Welten miteinander vermischen. Die Folge ist meist das Gefühl der Überforderung. Dann sollte reflektiert werden, ob Familie, Freunde oder Hobbys zu kurz kommen und ob die derzeitige Lebenssituation einen selbst zufrieden stellt oder eine Veränderung wünschenswert ist.

Eine gesunde Work-Life-Balance ist wichtig für produktives Arbeiten. Alle dazugehörigen Faktoren sollten in regelmäßigen Abständen reflektiert und gegebenenfalls neu priorisiert werden. Dann heißt es Erfolg auf ganzer Linie.


Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.