Kultur im Koalitionsvertrag – Worauf sich die Ampel geeinigt hat

Die neue Bundesregierung bestehend aus SPD, Grünen und FDP möchte mit ihrem Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“. Wir haben uns angeschaut, ob es diesen auch für Kreativschaffende geben wird und welche Vorhaben für die Kultur- und Kreativwirtschaft beschlossen wurden. Im Angesicht der anhaltenden Krise gab es diesbezüglich viele Forderungen – unter anderem Kultur als Staatsziel auszurufen und ein eigenständiges Ministerium für das Kulturressort einzurichten. Wir haben die guten und schlechten Nachrichten zusammengefasst.

Kultur im Koalitionsvertrag – Worauf sich die Ampel geeinigt hat

Die neue Koalition auf Bundesebene bestehend aus SPD, Grünen und FDP möchte in der kommenden Legislaturperiode “Mehr Fortschritt wagen”. Zumindest behauptet das die Überschrift ihres Koalitionsvertrages, der am 07.12. ganz frisch unterzeichnet wurde. Wie sieht es bezüglich dieses Fortschritts im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft aus? Im Vorfeld gab es einige Forderungen aus den Interessenverbänden heraus, aber auch aus dem Kanzler*innenamt von Seiten der scheidenden Bundesbeauftragten für Kultur und Medien (BKM) Monika Grütters, die dieses Amt die letzten Jahre innehatte. Zu den wohl bekanntesten Forderungen gehört das Staatsziel Kultur, das schon seit vielen Jahren im Gespräch ist, sowie die Einrichtung eines eigenen Kulturministeriums inklusive Staatssekretär*innen und dazugehörigem Unterbau.

Corona im Gedächtnis

In den letzten Jahren ist kulturpolitisch viel passiert. Was den meisten aber vor allem im Gedächtnis geblieben sein dürfte, sind die letzten zwei Jahre der Pandemie, die weite Teile des Kultur- und Kreativsektors von heute auf morgen schlichtweg lahmlegte. Und wie sich nun ganz aktuell zeigt, wirft die Gefahr weiterer Schließungen stetig ihren Schatten auf den Kulturbetrieb. Im Moment des ersten Lockdowns wurde plötzlich unmissverständlich klar, welche gesellschaftliche und auch wirtschaftliche Bedeutung die Kultur- und Kreativwirtschaft hat. Und es kam ebenfalls ans Licht, welche Teilbereiche gut organisiert sind und ihre Interessen vor politischen Entscheidungsträger*innen geltend machen können und welche weniger.

Ein gutes Beispiel lieferte die Clubkultur in Städten wie Hamburg, Köln und natürlich Berlin, wo sich die Interessenverbände für die nötigen Hilfen einsetzten und auch relativ schnell Erfolg hatten. Genau gegenteilig war es bei der großen Masse an Solo-Selbstständigen im Kreativbereich. Sie waren wenig bis gar nicht organisiert und bei all der Vielfalt an Jobs und Arbeitsbereichen sind viele von ihnen durch jedes mögliche Förderraster gefallen. Ein Abwandern in andere Berufsbereich war die Folge und ist noch immer ein Problem. Der Koalitionsvertrag der Ampel nimmt sich diesem Problem an; hier scheint die durch Corona ausgelöste Krise der Kulturschaffenden immerhin Wirkung zu zeigen.

Mehr Sicherheiten für Kreativschaffende

Im Inneren des Reichstaggebäudes – © Christian Lue

In Zukunft sollen Solo-Selbstständige und hybrid beschäftigte Kreative demnach besser sozial abgesichert werden. Konkret heißt das, dass steuerfinanzierte Wirtschaftshilfen auf den Weg gebracht werden sollen, die im Falle von nicht selbstverschuldeten Verdienstausfällen, wie einem Kultur-Lockdown, greifen können. Außerdem soll der Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Kreativschaffende vereinfacht werden. Dies würde die großen Unsicherheiten von Kreativschaffenden etwas abmildern und möglicherweise auch wieder einen größeren Zuwachs junger Menschen zur Folge haben, was der Bereich dringend braucht. 

Genauso dürfte auch die zukünftig geplante Verpflichtung für Selbstständige zur Altersvorsorge mehr Sicherheit bedeuten. Neben einem Zugang zur gesetzlichen Rentenversicherung sind hier auch andere Vorsorgemodelle möglich, sofern sie insolvenz- und pfändungssicher sind. Solche Ideen sind nicht neu und werden schon lange diskutiert. Aber erst die Coronakrise scheint der Politik die Notwendigkeit solcher Regelungen klargemacht zu haben.

Ebenfalls hat Corona den Umgang mit der Künstlersozialkasse verändert. Bisher musste fortwährend ein bestimmter Anteil am Gesamteinkommen aus künstlerischer Arbeit stammen. Wurde dies nicht erfüllt, verloren Künstler*innen die Berechtigung, weiterhin KSK-Mitglied zu sein. Dies stellte sich während der Krise für viele Künstler*innen als fatal heraus, da sie kein Geld mit der eigenen Kunst verdienen konnten, Einnahmen aus anderen Quellen aber zum Ausschluss aus der KSK geführt hätten. Glücklicherweise wurde auf Druck der Interessenverbände politisch reagiert und die Regelung wurde ausgesetzt. Im Koalitionsvertrag ist geplant, diese auch weiterhin auszusetzen bzw. dauerhaft zu ändern, um es Kreativschaffenden in Zukunft zu erleichtern, in Notsituationen nicht-künstlerische Einnahmen frei von Konsequenzen generieren zu können.

Kultur ins Grundgesetz

Kultur zum Staatsziel auszurufen, wird seit Anfang der 1990er-Jahre immer wieder diskutiert und von vielen Seiten stetig befürwortet. Nun endlich wird es kommen und die Kultur im Grundgesetz verankert. In den Landesverfassungen – einzige Ausnahme ist Hamburg – ist dies bereits der Fall. Aber was genau heißt das eigentlich? “Staatszielbestimmungen sind verbindliche Grundsätze und Richtlinien für das staatliche Handeln”, heißt es im Sachstand der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zum Thema “Kultur als Staatsziel im Grundgesetz” aus dem Jahre 2020. Und weiter: “Für Verwaltung und Gerichte dienen sie als Maßstab bei der Auslegung von Gesetzen oder der Ausfüllung gesetzlicher Entscheidungsspielräume. Staatszielbestimmungen geben den staatlichen Organen auf, die entsprechenden Vorgaben im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu beachten.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, drückt es im Interview mit 3Sat etwas einfacher aus. Denn letztlich gehe es nur um den einen Satz, “Der Staat schützt und fördert die Kultur.” Dies könne gerade für Interessenverbände sehr wichtig sein, wenn es darum geht, bestimmten Forderungen Nachdruck zu verleihen. Wenn z.B. Einsparungen drohten, dann ist es zukünftig nicht mehr so ohne Weiteres möglich, diese an der Kultur und damit am Staatsziel vorbei vorzunehmen. Spätestens wenn solche Entscheidungen vor den Gerichten landen, könnte diese Formulierung von großem Wert für Kultur und Kreative sowie deren Wirtschaftszweige sein.

Keine Kultur im Kanzler*innenamt?

Das Kanzler*innenamt in Berlin – © Tobias

Im Vorfeld wurde von verschiedenen Seiten ein eigenes Ministerium für Kultur gefordert. Bisher übernimmt diese Aufgaben die BKM, die im Kanzler*innenamt angesiedelt ist. Die letzten beiden Legislaturperioden hatte Monika Grütters von der CDU dieses Amt inne. In diesen letzten acht Jahren ist die Abteilung stark gewachsen und zählt mittlerweile 400 Mitarbeitende, die einen Kulturetat in Höhe von zwei Milliarden Euro betreuen.

Grütters hatte sich in der Vergangenheit immer gegen ein eigenständiges Ministerium ausgesprochen, da die Ansiedlung im Kanzler*innenamt durchaus Vorteile hinsichtlich der Sichtbarkeit gebracht hätte, wie Grütters im Interview erläutert. Mittlerweile hat sie hier jedoch eingelenkt und sieht wiederum Vorteile an der Einrichtung eines Kulturministeriums. Sie begründet dieses Einlenken mit der zunehmenden Bedeutung des Amtes und dem steigenden Arbeitsaufwand, den die Mitarbeitenden kaum noch leisten könnten. Wenn das Ressort also vom Kanzler*innenamt abgekoppelt werden soll, dann mit einem eigenen Ministerium. Damit reagiert Grütters auf eine Aussage Robert Habecks, der vorschlug, die Kultur mit anderen Ressorts in einem Ministerium zusammenzulegen, wie die scheidende BKM an anderer Stelle erklärte.

Dieser Forderung kommt die Ampel jedoch nicht nach. Es wird bei der BKM im Kanzler*innenamt bleiben. Das Amt wird in der kommenden Legislaturperiode die erfahrene Grünen Politikerin Claudia Roth übernehmen. Da das Thema Kultur insgesamt mehr Raum einnehmen wird und quasi als Querschnittsthema an vielen Stellen des Koalitionsvertrages auftaucht, wird von ihr viel Abstimmung und Koordinierung nötig sein. Dass es kein eigenes Ministerium für diesen bedeutsamen Bereich geben wird, ist also eine schlechte Nachricht.

Die Kreativwirtschaft im Fokus

Erfreulich hingegen ist, dass es eine*n direkten Ansprechpartner*in für die Kultur- und Kreativwirtschaft im Kanzler*innenamt geben wird. Hier herrschte nicht zuletzt während der Krise sehr viel Unsicherheit und Chaos bei Kreativschaffenden, da niemand so recht wusste, an wen sich diese wenden könnten.

Auch in Zukunft soll das NEUSTART KULTUR-Programm bestehen bleiben, was ein positives Zeichen für Kreativschaffende ist. Das Besondere an dem Programm ist, dass die Konzeption der einzelnen Hilfsprogramme für die verschiedenen Tätigkeiten und Berufsfelder gemeinsam mit den Bundeskultureinrichtungen und Stiftungen erfolgte, die den sehr unterschiedlichen Bedarfen Rechnung zu tragen versuchten. Im Bereich Musik und Festival ist hier beispielsweise die Initiative Musik betraut, mit der wir Anfang des Jahres über NEUSTART KULTUR gesprochen hatten.

Auch wenn der Koalitionsvertrag nicht alle Forderungen erfüllt und auf die zukünftige BKM aufgrund des fehlenden eigenen Ministeriums eine Menge Arbeit zukommen dürfte, ist die Bedeutung der Kultur und auch der Kultur- und Kreativwirtschaft durchaus in der Bundespolitik angekommen. Das ist ein gutes Zeichen und wir sind sehr gespannt auf die kommenden vier Jahre.

Den Koalitionsvertrag als PDF gibt es hier.


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