Christof Ellinghaus – 30 Jahre Musikgeschichte mit dem Label City Slang

Christof Ellinghaus ist der Gründer und Geschäftsführer des Deutschlands wichtigsten Indie-Labels City Slang und seit über 30 Jahren im Musikbusiness tätig. In den 90ern half er nordamerikanischen Indie-Bands wie Nirvana, den Flaming Lips oder der Band von Courtney Love, Hole, in Europa erfolgreich zu sein. Heute sind er und sein Label maßgeblich an dem internationalen Erfolg von Noga Erez, Roosevelt oder Caribou beteiligt. Da kommt einiges an Erfahrung zusammen. Mit Timm sprach Christof über seine Anfänge als Booker, wie sich das Musik- und Label-Business verändert hat und warum die Frage nach Major oder Indie auch in 2021 noch relevant ist.

Christof Ellinghaus – 30 Jahre Musikgeschichte mit dem Label City Slang

Mit fast 2 Stunden hat Christof Ellinghaus bei uns den Rekord für den längsten Podcast aufgestellt. Christof ist allerdings skeptisch, ob sich das jemand so lange anhören will. Wir sind es nicht. Denn der Gründer und Geschäftsführer des Berliner Labels City Slang hat so viel spannendes zu erzählen, dass wir ihm auch noch länger an den Lippen hätten hängen können. Und Timm hätte ihn am liebsten gleich nochmal eingeladen. Es ist nicht nur seine über 30 jährige Erfahrung in der Musikwirtschaft als Booker, Tour-Manager und Label-Boss, sondern es ist auch die sympathisch offene und unaufgeregte Erzählweise, die die Geschichten über Nirvana und Courtney Love, das stetige Auf-Und-Ab seines Labels und den Michelin-Stern für sein Weinlokal so hörenswert machen. Christof hat sein Hobby und seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Heute profitieren Künstler*innen wie Noga Erez, Roosevelt, José Gonzales oder Caribou von Christofs Leidenschaft. Sie alle sind bei City Slang gesignt und inzwischen international Erfolgreich. Dass dieser Erfolg im Ausland oft größer ist als in Deutschland, liegt auch an der Ausrichtung und der Entstehungsgeschichte des Labels.

“Ich war ein bisschen befreundet mit Nirvana”

Angefangen hat die Geschichte in Beverungen an der Weser, wo Christof geboren und aufgewachsen ist. Sein etwas älterer Freund Rainhard Holstein sozialisierte den noch jungen Christof mit nordamerikanischem Punk-Rock und New Wave. Rainhard betrieb ein kleines Indie-Label und hatte das Fanzine “The Glitterhouse” ins Leben gerufen, für das Christof zu schreiben begann.

Als Christof sich dann in Berlin für Geschichte, Publizistik und Politologie einschrieb, um von zu Hause wegzukommen und dem Wehrdienst zu entkommen, öffnete ihm genau dieses Fanzine die Tür in die Musikwirtschaft. Ein befreundeter Plattenladenbesitzer suchte einen Begleiter für die Deutschland-Tournee einer nordamerikanische Band, über die Christof stetig in “The Glitterhouse” schrieb. Damit wusste er mehr über die Band als die meisten anderen und machte den Job.

Weitere Bands folgten und Christof wurde zum Ansprechpartner für nordamerikanische Bands, die in Europa erfolgreich werden wollten und jemanden vor Ort brauchten, der die Touren organisierte und die Promo machte. Unter diesen Bands war auch Nirvana. Allerdings noch bevor diese Musikgeschichte geschrieben hatten.

“Nirvana war auch mal Underground; die waren ja keine MTV-Kreation.”

Dem Ruf der nordamerikanischen Bands nach einem Label, das den Vertrieb und die Promo auf europäischen Boden machen konnte, erhörte Christof dann 1990 und gründete für genau diesen Zweck City Slang. Eine seiner ersten Bands, mit der er einen großen Erfolg in Deutschland feierte, war die Band Hole. Frontsängerin war keine andere als Courtney Love, die Witwe der Grunge-Legende Kurt Cobain. Angezogen von diesem Erfolg kamen immer mehr Bands zu City Slang, sodass das Label zur europäischen Indie-Adresse für nordamerikanischen Punk, New Wave und Grunge wurde, wobei Christof die Bezeichnung Grunge bis heute ablehnt und selbst nie benutzen würde.

Schnittstelle zwischen Kommerz und Musik

Bei seiner Arbeit als Labelboss geht es Christof gar nicht so sehr um den großen Charterfolg, sondern mehr um die “Randgruppenbeschallung”, wie er im Podcast erzählt. Das Label sieht er als Verlängerung seiner Leidenschaft für interessant Musik, die bisher unter dem medialen Radar geblieben ist.

“Ich lebe an einer seltsamen Schnittstelle aus Kommerz und Kunst. Und mein Versprechen ist es, aus deiner Kunst so viel Kommerz zu machen, dass du und ich im besten Fall davon leben können.”

Vielen Musikschaffenden im Katalog von City Slang ist das gelungen. Und Christof ist sich sicher, dass viele von ihnen es ohne ein Label im Rücken nicht so weit gebracht hätten. Noga Erez ist ein Beispiel dafür. Einst entdeckt auf YouTube, arbeiten Christof und sein Team seit fünf Jahren an der erfolgreichen Vermarktung dieser wirklich großartigen Künstlerin aus Israel. Das Talent ist zweifelsohne vorhanden, aber um erfolgreich zu sein braucht es mehr. Nun endlich zahlt sich die Arbeit aus und das kürzlich erschienene zweite Album „Kids“ bekommt die Aufmerksamkeit, die es verdient hat.

So gibt es immer zwei Arten von Signings bei City Slang: die erfolgreichen, die das Geld einspielen, und die noch im Aufbau begriffenen, in die dieses Geld investiert wird; natürlich in der Hoffnung, dass diese die Seite wechseln und selbst Gewinne erzielen werden. Da Christof seinen Bands augenzwinkernd nicht verbietet, “wahnsinnig erfolgreich zu sein”, passiert das hie und da auch. Und dann kann es passieren, dass ein Major-Label mit geöffnetem Scheckbuch anklopft und die Band abwirbt. Labels wie City Slang kommen dabei i.d.R. nicht gut weg, weiß Christof.

Damit dies weniger geschieht, ist City Slang mittlerweile international aufgestellt und hat Zweigstellen in New York, London und Paris. So kann das Label Künstler*innen auch im Ausland lokal betreuen und passgenaue Promo machen.

“Ohne Streaming hätten wir die Pandemie nicht überstanden.”

In den 90ern kam auch für City Slang ein Großteil der Einnahmen durch den Verkauf der Tonträger. Die Live-Touren sollten diese Verkäufe nur mehr oder weniger ankurbeln, ohne dabei selbst wirtschaftlich relevant zu sein. Das hat sich verändert. Heute sind es die Touren, die den Künstler*innen und Labels das Geld in die Kassen spielen. Leider fällt diese Einnahme durch die Pandemie zurzeit weg. Die Rettung für City Slang kam hier interessanter Weise von den Streaming-Diensten, die doch sonst so heftig in der Kritik stehen für ihre Playlist- und Vergütungspolitik gegenüber Labels und Musikschaffenden. 

Im Podcast erzählt Christof Ellinghaus woran man einen großen Star erkennt, bevor dieser einer ist, wie schön es ist, Künstler*innen wie Noga Erez oder Roosevelt den Weg des Erfolgs zu ebnen, und welchen Unterschied ein Label wie City Slang zu den Major-Labels darstellt. Fast zwei Stunden klingt lang. Aber es lohnt sich!

 

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