CCF 21: Cancel Culture – Wissenschafts-Talk

In der Debatte um Cancel Culture gehen die Meinungen weit auseinander. Geht es den einen um die Gewährleistung von Schutzräumen für marginalisierte Gruppen, beklagen andere den Verlust der Meinungsfreiheit. Da das Thema auch für Kreativschaffende bedeutsam werden kann, haben wir beim Content Creator Festival 2021 das Thema von wissenschaftlicher Seite beleuchtet. Talk-Gäste waren die Professor*innen Dr. Tong-Jin Smith von der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft sowie Dr. Christoph Neuberger von der FU Berlin. In dem sehr konstruktiven Talk geht es um den Ursprung der Praxis, wie Cancel Culture zum politischen Kampfbegriff wurde und was Probleme der digitalen Debattenkultur sind.

CCF 21: Cancel Culture – Wissenschafts-Talk

Unsere Gesellschaft gilt als so gespalten wie nie zuvor. Überall werden Kultur- und Identitätskämpfe gefochten. In diesem Zusammenhang hat sich auch das Phänomen der “Cancel Culture” einen Namen innerhalb der gesellschaftlichen Debatte gemacht. Hinter dem Begriff steht die Praxis, bestimmte Menschen in einer medialen Öffentlichkeit nicht mehr zu Wort kommen zu lassen, sie also aus Talks auszuladen oder sie mit Drohungen zu verängstigen. In der Debatte geht es einerseits um die Gewährleistung von Schutzräumen für marginalisierte Gruppen sowie um die Einschränkung der Meinungsfreiheit andererseits. Die Praxis lässt sich sowohl in politisch linken wie auch rechten Lagern beobachten. Da finanziell erfolgreiche Content Creation kaum ohne mediale Sichtbarkeit möglich ist, betrifft das Thema auch viele Kreativschaffende. Denn ein “Canceln” kann das Aus der Karriere bedeuten.

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Content Creation & Cancel Culture

Cancel Culture ist zu einem politischen Kampfbegriff geworden, der sehr stark polarisiert und spaltet. Deshalb wollten wir für das Content Creator Festival 2021 mit zwei Expert*innen reden und diskutieren, die wissenschaftlich zu dem Thema arbeiten und forschen. Für den Talk gewinnen konnten wir Prof. Dr. Tong-Jin Smith von der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) sowie Prof. Dr. Christoph Neuberger von der Freien Universität Berlin.

Dr. Tong-Jin Smith ist Professorin für Journalismus an der HMKW und Lehrbeauftragte am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin. Zu ihren Schwerpunkten gehören Media and Information Literacy, digitale Informations- und Nachrichtenkompetenz sowie Agenda Setting in der Netzwerkgesellschaft. In diesen Bereichen ist das Phänomen der bzw. die Diskussion um Cancel Culture nicht weit entfernt. Darüber hinaus ist Smith auch als freie Journalistin tätig, sodass sie Expertise aus zwei unterschiedlichen Arbeitskontexten einbringen kann.

Dr. Christoph Neuberger ist Professor für Digitalisierung und Partizipation am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU. Seit 2019 leitet er die Arbeitsstelle “Digitalisierung und Partizipation” am besagten Institut. Bei seinem Arbeitsschwerpunkt digitaler Wandel von Medien, Öffentlichkeit und Journalismus spielt auch Cancel Culture immer wieder eine wichtige Rolle, wobei er den Begriff aufgrund dessen kämpferischer Geste zu vermeiden versucht, wie er im Talk erzählt.

Die beiden Wissenschaftler*innen kannten sich schon vor dem Talk beim Content Creator Festival 2021 von der Arbeit am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der FU Berlin. Dass sich genau diese beiden auf den Sesseln neben unserer Moderatorin Hanna eingefunden haben, war Zufall. So lief das Gespräch sehr sachlich, konstruktiv und ohne große Kontroversen ab, was für das sonst so emotional aufgeladene Thema sehr angenehm war. Unsere Gäste hätten sich trotzdem gerne eine Gegenmeinung gewünscht, um die Diskussion nicht einseitig führen zu müssen, was nachvollziehbar ist.

Wir jedoch konnten durch dieses Gespräch sehr viel über Cancel Culture erfahren und uns an der wissenschaftlichen Einordnung erfreuen. So klärt Smith über den Ursprung der Cancel Culture-Praxis auf, der weniger im digitalen, als vielmehr im analogen Raum und in Zusammenhang mit dem US-amerikanischen Civil Rights Movement in den 1950er und 60er Jahren zu verorten ist, das sich gegen die hegemonialen Strukturen auflehnte.

Kritik ist kein Canceln

Christoph Neuberger betonte das Problem einer Eskalationsdynamik als Folge der Polarisierung, die von beiden Seiten betrieben wird. Er stellt heraus, dass Streit im Wesen der Demokratie verankert ist und dass in den Kommunikationspraxen im digitalen Raum jedoch die dafür so wichtigen Regeln fehlen bzw. häufig missachtet werden. Dabei betont Neuberger insbesondere die Rolle von Kritik, die keine Einschränkung der Meinungsfreiheit darstellt, sondern immer als Angebot zu Kommunikation, Diskussion und Diskurs verstanden werden sollte.

Darauf hebt auch Tong-Jin Smith ab und stimmt zu, dass Kritik kein Canceln sei. Das Problem entstehe vielmehr dort, wo es möglichst laut um die eigene Meinung geht, während davon abweichende attackiert und verunglimpft werden. Solche Attacken verhindern jedoch den Raum für Entwicklung, den es für gesellschaftliche Veränderung aber dringend braucht.

Im Talk geht ging es auch um die Frage, ob unsere Gesellschaft tatsächlich so gespalten ist wie nie zuvor, oder ob Menschen sich noch nie zuvor getraut haben, so viel zu sagen. Die Digitalität hat Kommunikation wahrscheinlicher und so divergierende Meinungen sichtbarer gemacht.

Den kompletten Talk und viele weitere Inhalte gibt es auf dem Comacon YouTube-Channel.


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