Mit Geeinter Stimme für die Musikwirtschaft – Interview mit der Berlin Music Commission

Seit 2007 setzt sich die Berlin Music Commission für die Belange der Berliner Musikwirtschaft ein und versucht den Standort zu stärken. Mit ihrer Förder- und Netzwerkarbeit sowie der Interessenvertretung der Branche gegenüber dem Berliner Senat gehört sie zu den wichtigsten politischen Akteur*innen der Kreativwirtschaft. Gerade während der Krise zeigt sich, wie wichtig es für diese ist, mit geeinter Stimme zu sprechen, um Forderungen durchzusetzen. Mit der Finanzvorständin des Verbandes Jana Scheffert haben wir ein Interview über die Arbeit der BMC geführt.

Mit Geeinter Stimme für die Musikwirtschaft – Interview mit der Berlin Music Commission

Kürzlich hatten wir ein Interview mit der Clubcommission Berlin geführt. Nun haben wir mit einer weiteren politischen Akteurin der Hauptstadt gesprochen: Mit der Berlin Music Commission. Die BMC wurde 2007 gegründet und stärkt und unterstützt seitdem den Musikstandort Berlin. Ihre aktuell 163 Mitglieder kommen aus allen Bereichen der Branche. Einzige Bedingung zur Mitgliedschaft ist Berlin als Wohn- bzw. Firmensitz, wobei hier auch eine Zweigstelle ausreicht – und natürlich ein klarer Bezug zur Berliner Musikwirtschaft.

die BMC als vorbild

Die BMC leistet wichtige Förder- sowie Netzwerkarbeit und bringt die verschiedenen Akteur*innen der Branche zusammen. So kann die BMC die Interessen der Mitglieder geeint gegenüber der Berliner Politik vertreten und Forderungen stellen. Gerade während der Pandemie und des anhaltenden Lockdowns der Kultur zeigt sich, wie wichtig professionelle Interessenvertretung für die Branche ist. Denn noch immer kommen viele Kreativschaffende nicht an die Hilfstöpfe heran, die sie so dringend brauchen. Mittlerweile gibt es in vielen anderen Städten ebenfalls Verbände, die sich nach dem Vorbild der BMC um die Belange der Musikwirtschaft kümmern.

Jana Scheffert arbeitet seit 2010 bei der Berlin Music Commission und setzt sich dort für die Interessen der Musikbranche in der Hauptstadt ein. Mit ihr haben wir über die politische Arbeit der BMC gesprochen, wie es den Mitgliedern während der Pandemie geht und wie wichtig es ist, mit geeinter Stimme zu sprechen.

Eine bunte Mischung unterschiedlicher Interessen

Jana Scheffert – © Danny Prusseit

Hallo Jana, erkläre doch bitte einmal kurz, was die Berlin Music Commission macht und was deine Aufgabe dort ist.

Jana Scheffert: Die Berlin Music Commission ist das Netzwerk der Berliner Musikwirtschaft. Aktuell haben wir 163 Mitglieder, die aus verschiedenen Bereichen der Branche kommen. Darunter sind Labels, Verlage, Hochschulen, Medienunternehmen, Solo-Selbstständige aber auch Verbände wie die Clubcommission oder das media.net , mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten. Das ist also eine sehr bunte Mischung, was sehr herausfordernd sein kann, da alle unterschiedliche Interessen haben. Wir versuchen mit unserer Arbeit den Musikstandort Berlin zu stärken, indem wir unsere Mitglieder unterstützen und ihre Interessen gegenüber der Politik vertreten.
Ich bin Finanzvorständin bei der BMC und bilde zusammen mit Olaf Kretschmar den Vorstand. Außerdem leite ich das BMC Office, koordiniere die einzelnen Projekte und stelle sicher, dass diese laufen. Das mache ich jetzt im 11. Jahr und freue mich, immer noch dabei zu sein.

Gemeinsam stärker

Wie lange gibt es die BMC schon?

Jana:Die BMC gibt es seit 2007. Damals war die Musikwirtschaft noch sehr zersplittert. Alle waren Konkurent*innen und niemand wollte sich in die Karten schauen lassen geschweige denn zusammenarbeiten. Dann haben sich erstmals 19 Unternehmen der Musikwirtschaft zusammengeschlossen, weil sie gemeinsam etwas auf die Beine stellen wollten. Gemeinsam haben sie die BMC als Genossenschaft gegründet und konnten so Fördergelder beim Senat beantragen. Ich kam 2010 zur BMC und habe dieses erste Förderprogramm noch mitbekommen, das viel zu starr und nicht wirklich gut für die Kreativwirtschaft geeignet war.

Podiumsdiskussion auf der MW:M 2020 – © Florian Reimann

Heute gibt es glücklicherweise das Musicboard Berlin, das wir damals mit zwei anderen Verbänden (Clubcommission und Label-Commission des VUT) nach Vorbild des Medienboard gefordert hatten. Seit 2019 sind wir schlussendlich beim Senat für Wirtschaft, Energie und Betriebe angesiedelt und bekommen von dort die Gelder für unsere Geschäftsstelle und die großen Projekte wie ‚Most Wanted Music‚, ‚Music Ambassador‘ und ‚listen to berlin: Awards‚, mit denen wir passgenaue Förderungen ermöglichen können.“

Musikalische Visitenkarte

„listen to berlin“ ist eine Compilation, die einmal jährlich von der BMC herausgegeben wird. Alle in Berlin ansässigen Musiker*innen, Labels und Verlage können sich mit einem Musikstück darauf bewerben. So entsteht eine musikalische Visitenkarte, die den Künstler*innen eine Plattform bietet und die Stadt als Musikstandort repräsentiert. Ausgewählt werden die Stücke von einer Jury, die einen Querschnitt der Teilbereiche der Musikwirtschaft abbilden soll. Wer es auf die Compilation schafft, ist automatisch für die gleichnamigen Awards nominiert. Da es letztes Jahr so viele spannende Einreichungen gab und es die Künstler*innen während der Pandemie besonders schwer haben, wurde erstmalig eine zweite CD von Jana Scheffert und Olaf Kretschmar kuratiert, die den Titel „Unexpected Sounds“ trägt. Die Musik kann natürlich auch ohne CD-Player online gestreamt werden.

Ist sich das politische Berlin der Bedeutung des Musikstandorts bewusst?

Jana:Ich würde sagen ja. Allerdings ist da noch ganz viel Luft nach oben. Man merkt, dass die Arbeit der Netzwerke, Verbände und auch der Unternehmen in Berlin langsam fruchtet. Die versuchen seit vielen Jahren der Politik die Bedeutung Berlins als Kreativstandort klar zu machen. Ich hatte das Gefühl, dass die Politik sich gerne mit der Clublandschaft und der Kreativszene und deren Anziehungskraft geschmückt hat, aber es wurde nichts dafür getan, dass es auch so bleibt. Da gab es nur wenig Unterstützung.

Jetzt sind wir da auf einem guten Weg. Die Pandemie hat aufgezeigt, dass es da gute Konzepte gibt und dass wir da auch gehört werden. Aber wir merken auch, dass andere Wirtschaftszweige sehr viel schneller und selbstverständlicher Unterstützung und Hilfen bekommen haben. Da sehe ich noch ein großes Ungleichgewicht.“

„Es ist viel besser, wenn das geeint passiert

Wie wichtig war dieses Zusammenschließen der Branche in Verbänden wie der BMC, um jetzt während der Pandemie Forderungen stellen zu können?

MW:M 2020 – © Florian Reimert

Jana:Total wichtig. Ich glaube, wir erreichen nur etwas, wenn wir mit geeinter Stimme sprechen. Das ist schon seit Jahren unser Credo. Deshalb ist es auch total wichtig, sich mit anderen Verbänden und Netzwerken zusammenzuschließen. Wenn es Schnittstellen gibt, dann lasst uns das gemeinsam machen und nicht jede*r für sich. Da wundert sich nur die Politik, dass da jeden Tag andere Leute bei Ihnen anklopfen. Es ist viel besser, wenn das geeint passiert. Das sagen wir auch neugegründeten Netzwerken und bieten unsere Zusammenarbeit und Erfahrung an.“

Habt ihr bestimmte Ansprechpartner*innen in den Senatsverwaltungen?

Jana:Wir arbeiten ganz eng mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft zusammen. Unsere Projekte besprechen wir mit dem Staatssekretär und mit der Senatorin sind wir per du. Das ist in so einer Krisensituation natürlich Gold wert. Wir wurden auch von der Politik angesprochen, als es um Konzepte zur Öffnung ging und haben gemeinsam Hygienekonzepte entwickelt. Hier hat unsere Fachgruppe Veranstaltungswirtschaft einen wichtigen Beitrag geleistet. Dafür ist ein Netzwerk wie das der BMC notwendig, weil wir Expertise aus allen Bereichen einbringen können und wissen, was jeweils benötigt wird und was wichtig ist. Und wir können die Konzepte dann auch testen.“

Verlorene Expertise

Wie geht es euren Mitgliedern aktuell?

Jana:Da muss man differenzieren. Der Veranstaltungsbranche geht es richtig schlecht. Teilweise haben da Übergangslösungen ganz gut funktioniert, aber die Läden sind seit über einem Jahr zu und die sind einfach auf die Hilfen angewiesen. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die mit neuen Modellen über den Sommer gerettet werden können. Da merken wir es ganz deutlich.
Bei den Labels und Verlagen zeichnet es sich erst langsam ab. Im letzten Jahr konnten die noch von den Ausschüttungen ihrer Arbeit aus 2019 zehren. Aber viele Musiker*innen haben ihre Veröffentlichungen verschoben, weil sie aktuell nicht touren können, sodass auch da eine große Einnahmequelle fehlt.

Die Bildungsinstitute wie die SAE oder die Berlin School of Popular Arts konnten auf Online umstellen; da ist es also weniger dramatisch.
Unsere größte Sorge ist jedoch, dass sehr viele – gerade von den Solo-Selbstständigen, die kaum Hilfen bekommen haben – sich andere Jobs suchen, weil die sonst nicht überleben können. Ob die zurückkommen, ist fraglich, und da wird es wahrscheinlich eine ganz große Lücke geben, da geht uns gerade ganz viel Expertise verloren.“

Bürokratie und Sicherheit

Olaf Kretschmar & Jana Scheffert – © Stefan Wieland

Was wünscht du dir von der Politik?

Jana:Dass sie weiterhin ein offenes Ohr haben und eng mit uns zusammenarbeiten. Aber auch, dass die Bundespolitik sieht und anerkennt, wie wichtig die Kreativwirtschaft ist und wie wichtig es ist, da jetzt zu helfen, weil uns sonst ein großer Zweig wegbricht. Da brauchen wir passgenaue Unterstützung und Hilfsprogramme, die auch wirklich greifen und bei den Menschen ankommen. Es gibt Bestrebungen und Hinweise, was geändert werden muss. Jetzt ist es an der Politik, das zu erhören und schnelle und pragmatische Lösungen zu finden. Das würde ich mir wünschen. Deutschland ist halt sehr bürokratisch und auf Sicherheit aus, aber wir sehen ja, dass es uns in einer Pandemie zurückwirft.“

Vielen Dank für das Interview und deine damit verbundene Zeit, Jana!

 


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