gamesweekberlin – Interview mit Michael Liebe und Lena Alter

Michael Liebe ist Gründer und CEO bei Booster Space. Seine Leidenschaft, Leute zusammenzubringen und sich zu neuen Themen auszutauschen, entdeckte er schon während seiner Zeit als Student. Booster Space ist das Ergebnis verschiedener Gründungen, Initiativen, Jobs und Projekte. Wir sprachen mit ihm und seiner Kollegin Lena Alter über die Rolle der gamesweekberlin für die Games-Branche und was sich im Hinblick auf die Sichtbarkeit unterrepräsentierter Gruppen in der Games- und Tech-Industrie getan hat und noch tun wird.

gamesweekberlin – Interview mit Michael Liebe und Lena Alter

Michael, welche Rolle spielen Games in Ihrem Leben und wie kam die Idee zur gamesweekberlin?

Michael Liebe: Ich spiele schon seit meiner frühen Jugend regelmäßig am Computer – oder eben auch auf dem Fußballplatz, der Regattastrecke oder in Workshops und bei der Aufgabenbewältigung. Immer versuche ich über kleinere Challenges oder interaktionsfördernde Regeln was Spielerisches mit zu denken. Will sagen: Spielprinzipien sind für mich Alltag. Computerspiele haben allerdings den besonderen Reiz einer Komplexität, die analoge oder lineare Welten nur schwer abdecken können. Sid Meier’s Civilization, Lemmings, Doom II und Monkey Island waren damals meine Lieblingsspiele. Civ spiele ich bis heute regelmäßig. Alle Editionen, Erweiterungen DLCs und Co. Narrativ aufgeladene First Person Spiele, wie die Assassins Creed Reihe passen heute gut ins Profil. Mobil mag ich sowas wie Tiny Wars, Monument Valley oder Greed Corp. Aber ich spiele auch mal weniger komplexe Spiele zwischendurch. Andere Medien wie vor allem Musik oder Serien bestimmen aber aktuell mehr meine Freizeit, da sie weniger fordernd sind und besser in ein Feierabendkonzept passen. Als Unternehmer finde ich die Games -Branche allerdings besonders spannend, weil sie super dynamisch ist, stets neue Technologien, Ästhetiken und Geschäftsmodelle entwickelt und gesellschaftliche Trends mitbestimmt. Und die Leute sind cool. Es macht Spaß in der Branche zu arbeiten.

 

Für wen ist die gamesweekberlin konzipiert, wie haben Sie die Zielgruppen definiert?

Michael Liebe: Die Details dieser Antwort hängen ein wenig vom Jahr ab, in dem sie fragen. Ähnlich wie die Branche selbst adaptieren und bewegen wir unser Konzept passend zum Kontext und Zeitgeist. In diesem Monat fokussieren wir uns eher auf die Verbindungen von Developern und Publishern (bzw. Investoren oder Förderern) und Jobsuchenden mit Recruitern. Wir arbeiten in dieser Edition gemeinsam mit ihren Teilnehmenden an den aktuellen Herausforderungen des Berufslebens. Vieles wird online bleiben. Vieles wird neu geordnet werden. Darauf sind die Formate abgestimmt: Sichtbarkeit, Vernetzung und Bildung. In den letzten Jahren hatten wir unsere Strategie mehr auf B2B2C – also von und mit Professionals (Business), aber auch in Schnittstellen und Sichtbarkeiten zu Fans und Games-Enthusiasten (Consumer) – ausgerichtet. Das ging dann 2020 nicht mehr so wie geplant, also haben wir uns auf Live-Formate über Twitch auf der einen Seite über Consumer Access im Stream, der von Business Akteuren bespielt wird, konzentriert und auf der anderen Seite für Ticket Holder uns primär auf Networking und Termin-Management über MeetToMatch fokussiert. Mit Womenize! sprechen wir nach wie vor Menschen an, die an Karriere, Diversity und Chancengleichheit interessiert sind. Also eine Mischung an Zielgruppen, denn siehe oben, hier kommen wir her.

 

Die Games-Branche in Deutschland bekommt langsam die gesellschaftliche und politische Beachtung, die sie verdient hat. Können Sie das bestätigen? 

Michael Liebe: Naja, die Suggestion dass sie das verdient hätte würde ich nicht pauschal unterschreiben. Zumindest nicht in einem reinen positiven Licht. Es gibt in der Branche durchaus Entwicklungen oder auch einzelne Akteure, die kritisch zu betrachten wären. Aber genau darum geht es ja eigentlich bei Anerkennung: nicht nur das vermeintlich Gute oder Schlechte beleuchten, sondern sich umfassend mit dem Medium Computerspiel beschäftigen. Und das nicht nur wirtschaftlich oder technologisch, sondern auch mit einer gewissen Verantwortung über die Inhalte, die Nutzungstrigger oder die Geschäftsmodelle. Dadurch dass die positiven Teile, wie Innovation, Dynamik, Umsatzwachstum oder Kreativität, genauso diskutiert und anerkannt werden wie die nicht so positiven Teile – das ist die Bestätigung der Anerkennung. Also ja, ich bestätige die Vermutung. 

 

Wie wichtig sind Events wie die gamesweekberlin für die internationale Reputation der Szene? Wie gut ist die deutsche Szene international vernetzt?

Michael Liebe: Strahlkräftige Events sind für jeden Standort und jede Branche jeweils wichtig. Wenn eine Veranstaltung lokal angenommen und unterstützt wird, sorgt das für internationale Aufmerksamkeit, da nur eine kritische Masse an lokalen Akteuren auch ein gewisses Momentum schaffen kann. Also wenn eine Veranstaltung in einer Stadt gut funktioniert, spricht das für eine starke lokale Community, spricht das für einen attraktiven Games-Standort. Die deutsche Games-Szene ist mittlerweile international ziemlich gut vernetzt und auch als kreativ und relevant anerkannt. In Deutschland wird viel gespielt, gekauft und mit Games verdient, aber noch zu wenig am Standort entwickelt – und beworben. Hier gibt es viele gute Initiativen, wie ALL EYES ON INDIE oder unser Dev Booster Format und die Steam Sales Made in Germany, die jüngst von NRW aus initiiert wurden. Die Bundesförderung und die vielen regionalen Content-Förderungen bieten hier ebenfalls viel Potential, die Entwicklerszene zu boosten. Was wiederum für mehr Strahlkraft der Branche an sich wichtig ist und über Events katalysiert und sichtbar gemacht werden kann.

 

Wie ist Ihre Erfahrung mit Fördermitteln; sowohl für Entwickler*innen als auch für ein Event wie die gamesweekberlin?

Michael Liebe: Sehr positiv. Öffentliche Förderung für Games-Projekte und -Events ist ein Luxus, den nur wenige Länder im internationalen Vergleich in der Größe und aber auch inhaltlicher Expertise bei Personal und Institutionen bieten können. Das ist erstmal ein großartiger Standortvorteil. Wenn wir nun noch mit entschlackter Bürokratie, Gründerspirit und umfassender digitaler Infrastruktur punkten, dann würde es der Branche richtig gut gehen können. 

 

Die Veranstaltung findet ausschließlich online statt. Nach meinem Gefühl ist die Games-Szene hier sehr viel empfänglicher für solche Formate und die Veranstaltungen erreichen Teilnehmer*innenzahlen, von denen andere Teilbereiche nur träumen können. Woran liegt das Ihrer Einschätzung nach und wie wirkt sich das möglicherweise auf die Planung eines solchen Events aus?

Michael Liebe: Jain, tatsächlich. Unser Motto war eigentlich immer: we do offline experiences for online people. Die Herausforderung hier ist nämlich, dass die Vertreter*innen der Games-Branche ohnehin schon sehr viel vor dem Bildschirm arbeiten und auch Freizeit verbringen. So fällt es recht schwer eine Erfahrung zu bieten, die aus dem Alltag ausbricht. Denn darum geht es am Ende bei Veranstaltungen: nicht im Alltäglichen zu agieren, sondern im Besonderen zu erleben. Ja, wir haben deutlich weniger Erklärungsbedarf, können viel besser verschiedene Tools einsetzen und hier auch experimentieren, aber wir können eben nicht so ohne Weiteres das Besondere bieten. Daher auch der Ansatz mit Formaten wie MOST WANTED: ROOMMATES die Woche live und für alle zugänglich auf Twitch zu eröffnen. Mehr mit einer Gameshow als einer Talkshow. Oder mit dem Dev Booster Pitches der Entwicklerstudios in den öffentlichen Raum auf Twitch zu bringen, mit einer dynamischen Moderation und einem Live-Voting-System für die Zuschauenden, bzw. den Chat, um im Sprech zu bleiben. Der Career Day bietet dementsprechend auch viele gute Vorträge aber auch live Operngesang im Programm an. Sowas. Oder MeetToMatch. Technisch nicht unbedingt besser als andere Online-Meeting Systeme, aber mit einem in der Branche eng verwurzeltem Team, das mit Leidenschaft und Professionalität am Start ist – denn trotz aller Screen-Fatigue, man freut sich immer über Herzblut und Emotion in einem Projekt. Aber hey, schaut selbst.

 

Während die Geschlechter bei Gamer*innen ausgeglichen sind, sieht es hinter den Kulissen noch anders aus. Als Teil der gamesweekberlin findet die Womenize! statt. Lena Alter, Sie sind  COO bei Booster Space und Leiterin von Womenize!. Können Sie das Format kurz erklären? Wie wird dieses angenommen? 

Lena Alter: Womenize! ist unsere Action Plattform, die sich zum Ziel gesetzt hat, unterrepräsentierte Gruppen in der Games- und Tech-Industrie sichtbar zu machen und zu fördern, insbesondere Frauen. Neben den jährlichen Konferenzformaten, stellt unsere Interviewreihe Womenize! Inspiring Stories jede Woche eine neue Frau vor, die von ihrem Weg in die Games- und Tech-Industrie erzählt. Dabei steht auch hier im Fokus die verschiedenen Rolemodels sichtbar zu machen und der Vielfältigkeit ihrer Geschichten eine Bühne zu bieten, um aufzuzeigen, wie wichtig Diversität ist und wie wertvoll sie für die Entwicklung einer vielfältigen, modernen und erfolgreichen Games und Tech Industrie ist. Durch den immer größer werdenden Zuspruch in der Industrie, auch auf Seiten von Partnern und Institutionen, sehen wir, dass Themen rund um die Diversität und Chancengleichheit immer mehr an Relevanz gewinnen und auch stärker in den Fokus gerückt werden. Seit 2015 ist die Womenize! und ihr dazugehöriges Netzwerk gewachsen und wir arbeiten daran und wünschen uns, dass sich dieser Trend auch in den nächsten Jahren fortsetzt. 

 

Was braucht die Branche, damit mehr Frauen* in der Entwicklung tätig werden, und wen sehen Sie hier in der Verantwortung?

Lena Alter: Das Bewusstsein dafür, dass es nachhaltige Veränderungen geben muss, und den dazugehörigen Mut, diese in all ihren Konsequenzen anzugehen und (vor) zu leben sowie die Anerkennung und Wertschätzung dafür, wie wertvoll diverse Perspektiven für eine erfolgreiche Industrie sind. Die Verantwortung hierbei liegt insbesondere bei den Menschen und Positionen, die diese Entwicklungen aktiv fördern, mitgestalten und nach vorne bringen können. Vor allem die Geschäftsführungs- und Management-Ebenen sind hier gefordert, diesen Wandel in die Hand zu nehmen und ein Klima zu schaffen, in dem sich Menschen wohl und sicher fühlen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft usw. Das Diversität sowohl die Produktivität als auch die Kreativität fördert, ist kein Geheimnis mehr und sollte gerade von innovativen Industrien, wie der Games- und Tech-Branche, genutzt werden, um den Wandel voranzutreiben. Das Potential der kreativen Menschen, die die Industrien verändern wollen, sollte genutzt werden, um eine inklusive und diverse Industrie zu schaffen und somit ihren Beitrag zum aktiven Wandel leisten.

Wir bedanken uns bei Lena Alter und Michael Liebe für das Interview.

Mehr über die Förderung der Games-Branche gibt Vanessa Zeuch vom Medienboard Berlin-Brandenburg im Interview.

 


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